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Streiter für Hygiene und Erste Hilfe –

Dr. Friedrich Neiß (1895–1981)  


In Homburg 1895 geboren, meldete sich Friedrich Neiß 1914 zum Militärdienst, aus dem er bereits nach kurzer Zeit zurückkehrte. 

Er studierte Medizin und kam nach seiner Zulassung als Arzt 1921 nach Friedrichsdorf, wo er seine Praxis eröffnete. 

Als Landarzt gehörte die vorbeugende Gesundheitsvorsorge zu seinen Aufgaben . Er setzte er sich gezielt für die Einrichtung von Wannen in der Volksschule sowie für ein städtisches Schwimmbad ein, um die Hygiene in der Stadt zu verbessern. Besonderen Einsatz zeigte er für seinen Patienten und Patientinnen, als er die „Sonntagssprechstunde“ einrichtete.

1971 ernannte ihn die Stadt Friedrichsdorf zum Ehrenbürger. Weitere Auszeichnungen folgten.       

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Noch nicht genug?

Hier gibt es die lange Version des medizinischen Ehrenbürgers mit Sonntagssprechstunde

Eine schwere Blinddarmentzündung hatte seine Neugier an der Medizin geweckt und ließ ihn später als Arzt die Nachfolge von Dr. Ludwig Fuchs antreten: Dr. Friedrich Neiß.

Geboren wurde Friedrich Neiß am 23. September 1895 in Bad Homburg. Nach dem Abitur meldete er sich 1914 zum Militärdienst, kämpfte im Ersten Weltkrieg in Langemarck, Longeville und in den Karpaten. Kardiologische Probleme ließen ihn wieder in die Heimat zurückkehren. Bald nahm er in Marburg das Medizinstudium auf. Als Unterarzt verließ er 1918 die Universität, arbeitete als Assistenzarzt zunächst an der Frankfurter Universitätsklinik und später am Homburger Kreiskrankenhaus. Seine Zulassung nahm er 1920 entgegen, als er noch an seiner Dissertation über ein chirurgisches Thema – „Die Dalmaische Operation bei Wassersucht im Bauch“ – arbeitete, die er 1921 abschloss. Kurz darauf kam der junge Arzt nach Friedrichsdorf und eröffnete im September im Haus des Zimmermeisters Bender in der Hauptstraße seine erste Praxis. Später zog er in die Wilhelmstraße, in das Haus des Sanitätsrates Dr. Kissler. Zu seinen Patienten zählten Gelegenheitsarbeiter ebenso wie grippekranke Fabrikanten – kurzum, Dr. Neiß betreute die bestgehende Praxis im Obertaunuskreis. Aber nicht nur Friedrichsdorf gehörte zu seinem Bereich, sondern ebenso Seulberg und Köppern.

Gegen Händewaschen, für Schwimmbad 

1928 hatte er Elfriede, eine Lehrerin aus Gießen, geheiratet. Seine Frau unterstützte ihn bei der Arbeit, übernahm die Buchführung und Patientenkartei, nahm die Anrufe entgegen. Als Landarzt war Neiß zunächst mit dem Fahrrad und dem Motorrad unterwegs, später, ab 1923, mit einem kleinen Opel, dem Modell „Laubfrosch“. Neiß, der sich erst aufgrund eines „Donnerwetters“ seiner Kollegen nach einer Patientenbehandlung die Hände wusch, konstatierte hinsichtlich der hygienischen Verhältnisse, dass diese besonders in Köppern gut gewesen seien, schlechter aber in Friedrichsdorf. Zu seinen Aufgaben gehörte ebenfalls die vorbeugende Gesundheitsvorsorge: 1925 verpflichtete die Stadt, damals noch Schulträger, ihn als Schularzt. Jedes neu aufgenommene Kind musste untersucht und alle Klassen dreimal im Jahr inspiziert werden. Wegen der zahlreichen Fälle von Rachitis regte Dr. Neiß die Anstellung einer Säuglingsschwester an, die bereits die Babys untersuchen und die Eltern entsprechend beraten sollte. Da viele Kinder an einem ansteckenden Hautausschlag litten, nur wenige Familien aber ein Bad besaßen, setzte sich der Arzt für die Einrichtung von Wannen und Brausebädern in der Volksschule ein, war vor allem aber ein starker Verfechter des städtischen Schwimmbades. Dieses wurde tatsächlich als eines der ersten in Deutschland eröffnet.

Feldoperation mit Stopfnadel und Zwirn

Dann setzte der Zweite Weltkrieg eine Zäsur. Von 1938 bis 1945 gehörte der Dr. Neiß als Oberstabsarzt der Wehrmacht an. Als er nach Kriegsende aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, gab es für den Mediziner in seiner Heimatstadt wieder viel zu tun. Vor allem unter den Flüchtlingen breitete sich der Typhus aus. Wegen Überlastung vermochte das Homburger Krankenhaus jedoch keine Patienten aus Friedrichsdorf aufzunehmen. Daher richtete Dr. Neiß im Ferienheim der Methodisten ein kleines Lazarett her. Ein besonderer Einsatz für seine Patienten zeigte sich später auch in der „Sonntagssprechstunde“. Diese wurde heftig von seinen Kollegen kritisiert, so dass Neiß sonntags nur noch zwischen elf und zwölf Uhr für dringende Fälle zu sprechen war. In ihrer freien Zeit reiste das Ehepaar gerne. Während eines Ausflugs in den abgelegenen Vogelsberg kam der Arzt einmal dazu, als ein Bauer in die Sense gefallen war. Neiß borgte sich bei den Anwohnern Stopfnadel und Zwirn, betäubte den Patienten mit Schnaps und nähte die Bauchdecke zusammen. Die Notoperation gelang.

Nach einem halben Jahrhundert segensreicher Tätigkeit und unermüdlichem Einsatz ernannte die Stadt Friedrichsdorf ihn 1971 zum Ehrenbürger. Weitere Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz, folgten. Schließlich trat Dr. Neiß im Alter von 83 Jahren in den Ruhestand, betreute aber noch immer einige Privatpatienten. Den anderen, die sich einen neuen Hausarzt suchen mussten, gab er einen ausführlichen Krankenbericht mit. Am 18. Januar 1981 starb Dr. Neiß. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde der praktische Arzt, Schularzt und Werksarzt der milupa auf dem Friedrichsdorfer Friedhof beigesetzt. Zum Andenken an den Ehrenbürger benannte der Magistrat an dessen 100. Geburtstag 1995 die zum Schwimmbad führende Straße nach ihm.