Bedeutungsvoll waren insbesondere seine Bemühungen für die Verbesserung der Friedrichsdorfer Infrastruktur. Lang ist die Liste der während seiner Amtszeit entstandenen Bauten, wie etwa die Kanalisation oder das heutige Rathaus in der Hugenottenstraße.
Die Stadt verlieh ihm 1973 die Ehrenbürgerschaft und noch zu seinem 90. Geburtstag ehrte man seine Leistungen bei einem Empfang im Rathaus.
Walter Ziess starb im Alter von 94 Jahren.
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Noch nicht genug?
Hier gibt es die lange Version des Ehrenbürgers und Bürgermeisters
Dabei stammte Walter Ziess noch nicht einmal aus der Hugenottenstadt, sondern wurde im bergischen Radevormwald, in der Nähe von Wuppertal, geboren. Dort absolvierte er zunächst eine Ausbildung zum Schlosser und sogleich zum Kaufmann. Doch in den von Rezession und Arbeitslosigkeit gezeichneten 20er Jahren fand er dort keine Anstellung. Kurzerhand sattelte er um und erhielt schließlich eine Stelle als Schulleiter des 9. Volksschuljahres. 1933/34 kam er dann nach Friedrichsdorf, um die Leitung eines Landheims der Hitlerjugend zu übernehmen, untergebracht im ehemaligen Institut Garnier.
Als Mitglied der NSDAP folgte Ziess dem Ruf zum Reichsnährstand nach Frankfurt. Während des Zweiten Weltkrieges erlangte er in der Wehrmacht den Rang eines Offiziers. Aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft entlassen, musste er sich vor der Entnazifizierungs-Spruchkammer verantworten. Danach lebte er zunächst von Gelegenheitsarbeiten. Für die Stadt Friedrichsdorf erledigte er alles, was anfiel – von Straßenkehren bis hin zu Waldarbeiten.
Tatkräftig engagierte Ziess sich für die Heimatvertriebenen, von denen damals zahlreiche notdürftig etwa in Baracken an der Plantation sowie eben im Institut Garnier untergebracht waren. Der enorme Bevölkerungszuwachs um mehr als hundert Prozent brachte erhebliche Probleme in der Unterbringung. Zwar sollte Wohnraum geschaffen werden, doch waren dazu keine Mittel vorhanden. Ziess initiierte den Bau von zwanzig Lehmhäusern, gefolgt von der Gründung einer Baugenossenschaft, deren Mitglieder verpflichtet waren, dreißig Stunden monatlich nach Feierabend unentgeltlich zu arbeiten.
Der städtische Mitarbeiter Ziess wurde als Geschäftsführer für die Baugenossenschaft freigestellt. Schließlich bezog 1965 der letzte Genosse sein Eigenheim. Zudem hatte Ziess einen Wohnungs-Beschaffungs-Ausschuss ins Leben gerufen, dem Kirchengemeinden, Schulleitung sowie karitative Einrichtungen angehörten, um günstigen Wohnraum zu finanzieren. Die Verwaltung der „Bau-Spar-Aktion“ oblag dem Magistrat. Geschichten um den tatkräftigen Mann, den Bürgermeister Klemm mit der Betreuung der Heimatvertriebenen betraut hatte, gibt es viele, wie er etwa mit einem provisorischen Ausweis des Landratsamtes nach Wuppertal fuhr, um dort hundert Pfund Äpfel gegen eine Rundschnur-Maschine für drei Sudentendeutsche einzutauschen, die damit eine Posamenten-Fabrikation für Borten, Fransen und Quasten eröffneten.
Im Einsatz für die Demokratie
Ziess hatte aus seinen jungen Jahren gelernt: „Nach dem totalen Betrug, den ich erlebt habe, konnte ich nie wieder in eine politische Partei eintreten.“ Im Einsatz um die Demokratie begründete er 1952 die Überparteiliche Wähler-Gemeinschaft (UWG) mit, die sich schnell zur stärksten Fraktion entwickelte. Ihn als Kandidat für das Bürgermeisteramt vorzuschlagen, lag daher nahe, war jedoch – so erklärte er später – nie sein angestrebtes Ziel. Für neunzehn Jahre, von 1954 bis 1973, amtierte der „bergische Jung“ als Rathauschef.
Als im März 1955 erstmals die „Mitteilungen der Stadtverwaltung Friedrichsdorf / Taunus“ erschienen, sieht man bereits am minderwertigen Papier, dass noch immer Mangel herrschte. Doch wirkt der Inhalt entschieden demokratisch: Mit den Mitteilungen wolle man „eine Brücke schlagen zwischen der Arbeit der städtischen Körperschaften und der Einwohnerschaft Friedrichsdorfs“. Aufgaben, vor der die Stadtverwaltung zehn Jahre nach dem Krieg stand, gab es viele: Das Wohnungsproblem war noch nicht gelöst, die Straßen bedurften einer Instandsetzung, die Fremdenwerbung sollte beachtet und auch die kulturellen Belange berücksichtigt werden.
Wenn Ziess auch alle zu erledigenden Felder als gleichwertig ansah, so gelten besonders die aus dem Gebiet der Infrastruktur als bedeutungsvoll. Da wäre zunächst der Anschluss an die S-Bahn 5 zu nennen, die Erneuerung des Schwimmbades sowie der Bau einer Turnhalle. Lang ist die Liste der unter ihm entstandenen Bauten, darunter etwa das Schulzentrum am Hohen Weg, die Kanalisation und nicht zuletzt das jetzige Rathaus in der Hugenottenstraße sowie das heutige Gebäude der Salus-Klinik. Städtisch und modern sollte die Innenstadt wirken, lag man doch immerhin in der Nähe von Frankfurt, das nun gut erreichbar war. Die 1960 eröffnete Entlastungsstraße B 455 ist ebenfalls Ziess zu verdanken. Köppern, damals eine selbständige Gemeinde, fand noch keinen Gefallen an dieser Idee.
Eine der lebhaftesten Sitzungen der Stadtverordneten fand 1971 statt, als man den Antrag auf eine Fusion erörterte. Ein Problem stellte die Namensgebung des künftigen Gemeindequartetts Burgholzhausen, Köppern, Seulberg und Friedrichsdorf dar. Mehrfach wies Ziess darauf hin, Friedrichsdorf wolle unbedingt seinen Namen beibehalten. Dabei ging es weniger um die Erinnerung an den landgräflichen Stadtgründer, als vielmehr um die Interessen der ortsansässigen Industrie, insbesondere der noch starken Zwiebackhersteller und die Bezeichnung ihres Produktes als „Friedrichsdorfer Zwieback“.
Wenn auch nach dem Gemeindezusammenschluss 1972 Ziess als dienstältester Bürgermeister im Hochtaunuskreis freiwillig zurücktrat, suchte man noch lange seinen politischen Rat. Doch den Rückzug aus der aktiven Politik fiel ihm nicht schwer, da ihm das Geschäft zu hektisch geworden war. Dem geschätzten und geachteten Exbürgermeister wurde 1973 die Ehrenbürgerschaft verliehen, und noch zu seinem 90. Geburtstag ehrte man seine Leistungen mit einem Empfang im Rathaussaal. Während des Festaktes resümierte er: „Alles, was ich in meinem Leben erreicht habe, war selbstverständlich. Ich habe nie etwas aus Berechnung getan.“
Im Alter von 94 Jahren starb Walter Ziess am 17. Januar 2005.