Während des Ersten Weltkriegs entwickelte er ein Verfahren zur Geheimtelefonie und entdeckte 1915 die „Siebketten-Technik“. 1930 gründete der Schwingungsforscher Wagner in Berlin das Heinrich-Hertz-Institut. Als er sich weigerte, jüdische Mitarbeiter zu entlassen, wurde er selbst aus dem Dienst entfernt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg beauftragten ihn die Amerikaner mit dem Wiederaufbau des Post-und Fernmeldewesens. 1951 übernahm Wagner sogar noch eine Honorarprofessur an der Mainzer Universität.
Kurz vor seinem Tod wurde 1952 im ehemaligen Wohnhaus des Telefonerfinders das noch heute bestehende Museum (Philipp-Reis-Haus) eröffnet, bevor er 1953 einem Herzinfarkt erlag.
Galerie
Noch nicht genug?
Hier gibt es die lange Version von Durchschlägen, Leitungen und Schwingungen
Einer der größten Söhne der Stadt
Am 22. Februar 1883 wurde Karl Willy Wagner als Kind des Kaufmanns Wilhelm Wagner und seiner Frau Zeline, eine traditionsbewusste Hugenottin, geboren. Nach einer ersten Ausbildung zum Elektrotechniker lehrte der erst Neunzehnjährige am Technikum in Frankenhausen. Schon ein Jahr später erhielt er einen Forschungsauftrag bei den Siemens-Schuckert-Werken, wo er Ordnung in das Chaos der Überspannung brachte und anschließend das Problem des elektrischen Durchschlags löste. Ab 1908 assistierte er Prof. Simon in Göttingen. Wagner holte das Abitur nach und schrieb zugleich an seiner 1910 vorgelegten Dissertation, die sich mit der Erregung von Schwingungen durch den elektrischen Strom befasste. Als Ingenieur am Kaiserlichen Telegraphenversuchsamt in Berlin verbesserte er den noch von Bell entwickelten Telefonhörer.
Lange Leitungen und Frequenzen
1910 heiratete er Anna Hoffmann aus Stargard und stach wenige Monate später mit einem Kabeldampfer in See, um zwischen Westafrika und Brasilien Leitungen zu verlegen. Wenige Monate später beendete er seine Habilitation. Während des Ersten Weltkrieges optimierte er die drahtlosen Stationen für Flieger und U-Boote und entwickelte ein Verfahren zur Geheimtelefonie. Mit der Entdeckung der „Siebketten-Technik“ entwickelte er 1915 einen elektrischen Filter, der das Aussondern bestimmter Frequenzbereiche ermöglicht – eine maßgebliche Entwicklung für Rundfunk, Fernsehen und Telefonwesen. Seine grundlegenden Untersuchungen über den Frequenzbereich in Sprache und Musik sind noch heute für die Aufnahme- und Sendetechnik des Rundfunks von Wert.
Freund des Einbacks und Museumsgründer
1930 gründete Prof. Wagner in Berlin das Heinrich-Hertz-Institut für Schwingungsforschung. Als er sich weigerte, jüdische Mitarbeiter zu entlassen, wurde er aus dem Dienst entfernt. Nachdem er das Haus seiner Schwester in Friedrichsdorf geerbt hatte, kehrte Wagner in seine Heimat zurück und gründete zusammen mit Louise Dufour und seinem Schwager Friedrich Schmitt die „Landgrafen-Zwiebackfabrik OHG“. Vor allem setzte er sich gegen den Abriss des Philipp-Reis-Hauses ein und eröffnete dort 1952 das noch heute bestehende Museum.
Nach Kriegsende beauftragten die Amerikaner ihn mit dem Wiederaufbau des Post- und Fernmeldewesens. Doch der Wissenschaft blieb er stets verbunden und amtierte 1949 als Präsident an der von ihm mitbegründeten Mainzer Universität, übernahm dort 1951 sogar noch eine Honorarprofessur, bis er am 03. September 1953 einem Herzinfarkt erlag.
Besonderes
Pressetext v. 06.11.2023
„Als der Rundfunk vor einigen Jahren zuerst in Amerika, dann in Europa seinen fast beispiellosen Siegeszug durch die Welt begann, waren es nicht allzu viele, die an die Dauer und Nachhaltigkeit dieser Bewegung glauben wollten“, meinte 1927 der aus Friedrichsdorf stammende Radio-Pionier Karl Willy Wagner. Tatsächlich ahnte noch kaum jemand, welche Bedeutung das Radio gerade in Deutschland erlangen sollte, als vor hundert Jahren, am 29. Oktober 1923, die erste offizielle Sendung in Berlin ausgestrahlt wurde. „Die wissenschaftlichen Grundlagen des Rundfunkempfangs“ begründete Wagner entscheidend mit, legte 1927 nicht nur die gleichnamige Publikation vor, sondern war am Aufbau zahlreicher Radiostationen beteiligt. „Man braucht nur an den Wert des Rundfunks für die Volksbildung als Mittel zur Belehrung und zur Verbreitung guter Unterhaltung in den breiten Volksschichten zu denken, um ihn als einen mächtigen Kulturfaktor zu erkennen,“ meinte der Friedrichsdorfer.
Karl Willy Wagner, geboren am 22. Februar 1883 in der Hugenottenstraße, begeisterte sich Zeit seines Lebens für Nachrichtentechnik. Diese Neigung entdeckte der Sohn einer traditionsbewussten Hugenottin und Enkel eines Seulberger Tierarztes früh, wohnte die Kaufmannsfamilie von 1884 bis 1887 doch zeitweise im Haus des Telefonerfinders Philipp Reis. Gerne scherzte Wagner, der genius loci hätte ihn inspiriert.
Während seines Studiums verbesserte er als „kommissarischer“ Telegrapheningenieur im Kaiserlichen Telegraphen-Versuchsamt den Bell-Fernsprecher, um fortan Telefonate über längere Distanzen zu ermöglichen. Nach seiner Promotion und Habilitation wandte er sich 1913 schließlich den Funkwellen zu. Bevor man allgemein das Potential des Rundfunks entdeckte, forschte Wagner, der neben seinem Studium noch eine Ausbildung als Ingenieur abgeschlossen hatte, auf den Gebieten von Wanderwellen und der Theorie der Kettenleiter, die ihn im Jahre 1915 zur Erfindung des Siebkettenprinzips führte. Dieses ermöglicht, unerwünschte Signale abzuschwächen, wodurch Frequenzen besser übertragen werden. Als Meilenstein in der Funktechnik wird dieser Filter noch immer in der Radio- und Fernsehtechnik verwendet.
Seit 1924 wirkte Wagner als Honorarprofessor am Institut für Radiotelegraphie und Hochfrequenztechnik in der Abteilung für Elektrotechnik. Während man 1926 gespannt der ersten Übertragung eines Fußballländerspiels zwischen Deutschland und den Niederlanden lauschte und noch im selben Jahr die „Deutsche Welle GmbH“ auf Sendung ging, wurde Wagner mit der Gründung eines Instituts für Schwingungsforschung betraut, das am 07. März 1930 unter dem Namen Heinrich-Hertz Institut eröffnete.
Informationen wie Unterhaltung konnten mit dem Aufbau verschiedener Radiostationen nun direkt in deutsche Wohnzimmer gesendet werden, ein Vorzug, den die Nationalsozialisten, allen voran der spätere „Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda“ Joseph Goebbels, bald für ihre Zwecke nutzten. Waren zunächst Empfangsgeräte noch für viele unerschwinglich, kam im August 1933 der „Volksempfänger“ zu einem günstigen Preis auf den Markt und in die Haushalte.
Seine experimentellen Forschungen machten Wagner inzwischen bekannt. Zahlreiche Auszeichnungen und Ehrentitel wurden ihm im In- und Ausland verliehen, darunter als Foreign Honorary Member of the American Academy of Arts and Sciences (1931) oder als Ehrenmitglied der Word Radio Research League in London (1934). Doch seine Karriere nahm 1936 zunächst ein abruptes Ende, denn er weigerte sich, jüdische Mitarbeiter zu entlassen. Wagner wurde 1938 aller seiner Ämter enthoben. In Friedrichsdorf widmete er sich im Anschluss einer anderen Leidenschaft: dem Zwieback.
Nach dem Krieg waren neben den Sendeanstalten auch das Post- und Fernmeldewesen völlig zerstört. Um den Wiederaufbau in der damaligen Bizone zu organisieren, ersuchte die US-Militärregierung Professor Wagner um Rat und berief ihn zum Vorsitzenden des Planungsausschusses. Doch damit nicht genug: Der rührige Friedrichsdorfer wirkte sogar bei der Gründung des RIAS in Berlin und zahlreichen Sendeanstalten mit, darunter Radio Vatikan.
Auch in der Lehre blieb Wagner stets aktiv. Zunächst unterrichtete er als Gastdozent in Stockholm, war aber zugleich Mitbegründer der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, an der er 1951 eine Honorarprofessur erhielt.
Seiner Heimat Friedrichsdorf blieb der Physiker stets verbunden, war Mitglied im Hugenotten- und dem Verschönerungsverein. Zeit seines Lebens kämpfte Wagner um die Einrichtung einer Gedenkstätte für sein Vorbild Philipp Reis, ein Wunsch, der sich schließlich 1952 erfüllte. Als am 04. September 1953 der Ehrenbürger der Stadt und Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes in seinem Haus in der Hugenottenstraße einem Herzinfarkt erlag, endete das Leben eines Mannes, der sich wie kein Zweiter der Erforschung des Funkwesens verschrieben hatte. Seine Leidenschaft, das Radio, hat trotz der inzwischen großen medialen Konkurrenz bis heute seine Berechtigung behauptet. „Dadurch, daß er [=der Empfang] den Raum allseitig und auf jede Entfernung praktisch zeitlos überbrückt“, so Wagner, „regt er die Phantasie mächtig an.“