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Über 150 Jahre Telefon – Die Entwicklung des Telefons ab 1860

Um seinen Unterricht anschaulicher zu gestalten, schnitzte Philipp Reis für seine Schüler ein Holzohr. Dabei kam ihm die Idee für seine Erfindung: Aus einem Holzohr, einer Stricknadel und einer Geige entwickelte er 1860 das erste Telefon.

Lauschen Sie dem Gespräch in der Werkstatt von Philipp Reis.

 

 

Ein Jahr später, am 26. Oktober 1861, führte er seine Erfindung vor dem Physikalischen Verein in Frankfurt vor. 

Die Übertragung von Tönen gelang, Worte waren allerdings nur schwer zu verstehen, so dass der erwartete Erfolg ausblieb. 

In den folgenden Jahren entwickelte Philipp Reis sein Telefon ständig weiter, um die Sprachübertragung zu verbessern. Sein bekanntester Apparat, die sogenannte „Würfelform“, fertigte er 1863 in kleiner Stückzahl an und verkaufte ihn zusammen mit einer Gebrauchsanweisung an Interessierte in der ganzen Welt. 

Unabhängig von Philipp Reis hatte ebenfalls seit 1860 der italo-amerikanische Erfinder Antonio Meucci (1808–1889) an einem Fernsprechapparat gebaut und 1871 einen Patentantrag gestellt. Für die endgültige Anmeldung fehlte ihm jedoch das Geld. 

So reichte schließlich zwei Jahre nach dem Tod von Philipp Reis, 1876, Alexander Graham Bell in Chicago ein Patent unter der Bezeichnung „Improvement in Telegraphie“ ein.

Alexander Graham Bell oder Philipp Reis?

Bell gebrauchte für sein Telefon sowohl für den Lautsprecher als auch für das Mikrofon elektromagnetische Spulen, Dauermagnete und einen Widerstand. Später verwendete er für das Mikrofon Dosen mit Kohlekörnern und einer federnden Membran nach dem Patent des Engländers Blake. Es dauerte allerdings bis 1881, ehe das Telefon auch praktisch einsatzfähig war.
 

Geschützt durch seine Patentrechte, baute Bell die nach ihm benannte „Company“ auf. Als man diese gewinnträchtige Monopolstellung aufbrechen wollte, kam es zu zahlreichen Prozessen. Immer wieder fragten dabei die Richter, wann Bell eigentlich von der Reis'schen Entwicklung erfahren habe. Bell indes versicherte: „Mein Eindruck ist, dass ich vor dem Experiment am 26. November 1874 nichts vom Reis-Telefon wusste.“ Zollte Bell noch 1877 Reis in einem Vortrag in London sogar Respekt, indem er anerkannte, dass es dem Deutschen als Erstem gelungen sei, mit Hilfe des galvanischen Stroms Sprache in die Ferne zu übertragen, wollte er nun nichts mehr davon wissen. Schließlich standen nun enorme wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel.


Allein Silvanus P. Thompson, Professor für Experimentalphysik an der Universität Bristol, würdigte Reis als den wahren Erfinder des Telefons. In seinem Buch „Philipp Reis: Inventor of the telephone“ aus dem Jahr 1883 beschrieb er die verschiedenen Varianten des Reis'schen Telefons und seine Funktionsweise genau und ernannte Reis zum Erfinder. Bell kaufte kurzerhand fast die gesamte Auflage und vernichtete sie.

Ein Buch mit 99 Narren

 

Die Einführung des Fernsprechers in Deutschland geht auf den Generalpostmeister Heinrich von Stephan (1831–1897) zurück. Stephan, der als Erster das Telefon „Fernsprecher“ nannte, hatte 1877 von der Erfindung Bells erfahren und einige Apparate bestellt. Kurze Zeit später besuchte ihn zufällig der Chef des Londoner Haupttelegraphenamtes Henry C. Fisher und brachte als Gastgeschenk zwei Bell-Telefone mit. Noch am selben Tag wurden in Berlin Versuche damit durchgeführt, zunächst nur provisorisch innerhalb des Telegraphenamtes und dann etappenweise auf immer größere Distanzen. Schließlich veranlasste von Stephan den Ingenieur Werner von Siemens, eigene Telefone herzustellen.

Am 12. Januar 1881 nahm das erste handvermittelte Fernsprechamt Deutschlands im Haupttelegraphenamt Berlins mit gerade acht Teilnehmenden den Betrieb auf. Einige Wochen später ging die Berliner „Stadtfernsprecheinrichtung“ in Betrieb. Für die Teilnehmenden erschien bereits ein Fernsprechbuch, das spöttisch den Beinamen „Buch der 99 Narren“ erhielt. Doch ein Jahr später hatte diese Neuerung 579 „Narren“ überzeugt.

Nicht nur der Weg des Nachrichtenaustausches wurde kürzer, auch die Kommunikation selbst zeitlich begrenzt. „Fasse dich kurz“, hieß es schon bald. Das Motto „Time is money“ gilt besonders für die Wohlhabenderen, waren diese doch schließlich Nutzer und Nutznießer der ersten, nicht zuletzt als Prestigeobjekte angesehenen Telefone.

Das „Fräulein vom Amt“

 

Man telefonierte zunächst noch im Stehen und wendete sich dabei dem Apparat zu. Euphorisch wurde daher 1887 die erste Tischgarnitur gefeiert, bei der man im Sitzen telefonieren konnte.

Die Gesprächsvermittlung erfolgte per Hand an sogenannten Klappschränken. Arbeiteten hier anfangs allein Männer, hielt die Postdirektion bald die höhere Frequenz einer Frauenstimme bei schlechter Leitungsqualität für geeigneter. Fortan nahm das „Fräulein vom Amt“ die Gesprächswünsche entgegen.

Nicht jeder vertraute dieser Art der Gesprächsvermittlung: Der amerikanische Bestattungsunternehmer Almon B. Strowger (1839–-1902) argwöhnte, potentielle Kunden würden dank des Informationsvorsprungs einer Telefonistin an die Konkurrenz weitergeleitet. Also versuchte Strowger, mittels „Hebdrehwähler“ die Vermittlung durch Dritte zu umgehen, und erfand ein „girls-cussless-telephone“.

In Europa nahm erstmals Hildesheim 1908 ein Wählsprechamt in Betrieb, dessen Amtszeichen die Teilnehmenden aufforderte, selbst mit der Nummernwahl zu beginnen.
 

Der erste Standardapparat

 

Leichter, billiger, kleiner, wartungsfreundlicher und stabiler – das waren die neuen Anforderungen für die Reichspost der Weimarer Republik. Auch sollten die Formen von Maschinen herstellbar, normierbar und mit anderen kompatibel sein. Gegen den „Pferdefuß“ seines bayrischen Konkurrenten setzte sich schließlich das von Siemens & Halske in Berlin entwickelte Modell durch und blieb hierzulande – auch wegen des Zulassungsmonopols der Post – über Jahrzehnte führend: der nach einigen Versuchsjahren gereifte „W 28“.

Eine Zäsur setzte dann der Zweite Weltkrieg. Nach Kriegsende untersagten die Besatzungsmächte zunächst den deutschen Fernsprechdienst, ehe er mit Genehmigung eingeschränkt aufgenommen werden durfte. Hier war es wieder ein Friedrichsdorfer, Professor Karl Willy Wagner, der von der amerikanischen Verwaltung den Auftrag erhielt, in der damaligen Trizone das Fernmeldewesen aufzubauen.
 

Eine „Graue Maus“ in jedem Haushalt

 

Noch in der Zeit des Wirtschaftswunders und wachsenden Wohlstands besaß längst nicht jedes Haus einen Telefonanschluss. Um der großen Nachfrage in den sechziger Jahren Herr zu werden, setzte die Deutsche Bundespost auf einen Einheitsapparat, der einfach und preiswert herzustellen war. Damit das Gerät in jeden Haushalt passte, wurde er in der Nichtfarbe Kieselgrau gefertigt. Die „Graue Maus“ (FeAp61) war geboren.

In den von Farb- und Formexperimenten geprägten siebziger Jahren bekam auch der „FeAp61“ einen gefälligeren Look. Die Weiterentwicklung in der Mikroelektronik ermöglichte 1974 die ersten Tastentelefone. Mit der Typenfamilie „7“ gab es ab 1977 neue Apparate in den Farben Farngrün, Weinrot, Beige oder poppiges Hellorange. Der Tastenwahlblock sollte das Gedächtnis entlasten und das Wählen beschleunigen.

Seither wurden die Fernsprecher in immer kürzeren Abständen technisch optimiert, zunächst durch Rufnummernspeicher und Displays, später unter anderem mit elektronischen Ruftönen und Freisprechfunktion. Auch wurden Mitte der achtziger Jahre die ersten schnurlosen Telefone – preiswert aus Japan und den USA – eingeführt. In Deutschland musste man allerdings bis 1985 zur offiziellen Einführung von „Schnurlosen“ warten.

Einen Beitrag der Hessenschau vom 16.05.2010 zur Geschichte des Telefons und über das Philipp-Reis-Haus in Friedrichsdorf sehen Sie hier: 

Impressionen zur Entwicklung des Telefons